Oben im Schlafbaum schüttelte Flumm sein Gefieder. Es war noch feucht vom Regen und an seinem Bauch klebte ein Buchenblatt, das der Sturmwind dorthin geweht hatte.
Er zupfte es mit dem Schnabel ab und spähte in die Dunkelheit. In der Nacht hatte er im Wald Äste brechen hören und einmal sogar das Zersplittern eines Baumes. Der Sturm hatte seinen Schlafbaum so durchgeschüttelt, dass er kein Auge zugetan hatte. In den frühen Morgenstunden dann ein letzter prasselnder Hagelschlag und Wind, Blitz und Donner waren davongezogen.
Nun lag der Frühlingswald ruhig und dunkel unter ihm.
Flumm breitete die Flügel aus und schwebte zwischen den Bäumen hindurch. Sein Magen zog sich bei jedem abgerissenen Ast zusammen, den er am Boden sah. Überall hingen oder lagen Zweige mit hellgrünen Blättern, die der Hagel heruntergeschlagen hatte – und dort, der umgestürzte Baum!
Flumm umkreiste die morsche Eiche, die mit zerbrochenen Ästen und zersplittertem Stamm am Boden lag.
Er schluckte.
Tuff!
Lautlos schwebte er unter dem hellgrünen Blätterdach hindurch. Anfang Mai waren die Baumkronen noch nicht so dicht und er konnte schnell fliegen. Das wenige Licht kurz vor der Morgendämmerung reichte seinen scharfen Eulenaugen, um zu finden, was er suchte.
Dort, der erste Kobel!
Tuffs rundes Nest aus Zweigen, Moos und Blättern hing versteckt in einem Ahornbaum. Alles schien unversehrt. Das Hörnchen hatte fünf oder sechs solcher Kobel gebaut und Flumm wusste nie, in welchem er gerade schlief.
»Tuff?«, rief er halblaut. »Tuff!«
Keine Antwort.
Flumm flog weiter zum nächsten Kobel. Ein erstes Rotkehlchen begann seinen Gesang in der Dunkelheit, ein zweites folgte. Die Luft roch süß nach Holunderblüten.
Er kam an einer Eiche vorbei, die noch kein Laub ausgetrieben hatte, verlangsamte seinen Flug und schaute sich um.
Hier war es doch gewesen?
Er umflog den Baum, entdeckte einen Knäuel altes Moos an einem überhängenden Ast und blickte angstvoll nach unten.
Sein Herz machte einen Satz.
Tuffs Nest lag auf dem Waldboden! Eine zerbrochene Kugel aus Moos, Rinden und Zweigen, abgerissen vom Sturm.
Flumm schwebte nach unten.
»Tuff?«, flüsterte er.
Er drehte das Nest mit dem Schnabel um.
Es war leer. Flumm stieß erleichtert den Atem aus, aber das ungute Gefühl in seinem Magen blieb – er musste Tuff finden!
Im Osten wurde es bereits heller und nun erklangen die Stimmen von Amsel und Kuckuck. Auf direktem Wege hielt Flumm auf das größte Nest zu, oben in der Astgabel einer Rotbuche. Es war nicht weit.
Er flog an den Stamm und landete mit ausgebreiteten Flügeln an einem Astknubbel unterhalb des Nestes.
»Tuff?«, rief er. »Bist du da drin?«
Nichts rührte sich. Flumm hob die Flügel, um das nächste Nest anzusteuern, da hörte er hinter sich ein Kratzen. Er drehte den Kopf – und sah gerade noch, wie ein Schatten auf ihn zuflog.
»Uäk!«, kreischte Flumm.
Er fiel vor Schreck aus dem Baum, überschlug sich in der Luft, rempelte einen Eichenast und flatterte hektisch, um wieder Höhe zu gewinnen.
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